Parlamentarismus

Gedanken zur Lage und Geschichte des Parlamentarismus und Informationen zu seiner historischen Erforschung
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Archive for the ‘Forschungsinstitut’

Aufruf für Beiträge zur Konferenz „Speaking in Parliament: history, politics, rhetoric“

November 12, 2015 By: Parlamentshistoriker Category: Forschungsinstitut, Konferenz, Parlamentsrede

Das britische Forschungsinstitut History of Parliament und die Queen Mary University of London veranstalten am 6./7. April 2016 eine Konferenz für alle Wissenschaftler, die sich mit der parlamentarischen Rede in Vergangenheit und Gegenwart befassen.
Der Call for Papers ruft Interessenten auf, bis zum 30. November 2015 ihre Vorschläge einzusenden..

Vergabe des Wissenschaftspreises der Margaretha Lupac-Stiftung 2015

August 11, 2015 By: Parlamentshistoriker Category: Europa, Forschungsinstitut

Das österreichische Parlament teilt mit:

Der Wissenschaftspreis der Margaretha Lupac-Stiftung 2015 geht an Karin Liebhart, Tamara Ehs und Christina Ortner. Mit dieser einstimmigen Entscheidung folgte das Kuratorium der Margaretha Lupac-Stiftung in seiner heutigen Sitzung dem Vorschlag der fünfköpfigen Jury. Karin Liebhart und Tamara Ehs erhalten den Wissenschaftspreis in Anerkennung für ihr bisheriges wissenschaftliches Gesamtwerk. Christina Ortner wird für die kürzlich erschienene Publikation „Wie junge Erwachsene die EU sehen und was die Medien dazu beitragen“ ausgezeichnet.

„Der Wissenschaftspreis 2015 ist weiblich“, freut sich die Vorsitzende des Stiftungs-Kuratoriums, Nationalratspräsidentin Doris Bures, über die Entscheidung der Jury, „drei herausragende Wissenschaftlerinnen unterschiedlicher Generationen und deren Arbeit vor den Vorhang zu holen“. Die ausgezeichneten Wissenschaftlerinnen repräsentieren die Vielfalt und Vielfältigkeit wissenschaftlicher Arbeit in Österreich. Sie stehen für eine fächerübergreifende und thematisch vielfältige Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Themen. Sie stehen aber auch für wissenschaftliche Karrieren im Rahmen drittmittelfinanzierter gesellschaftswissenschaftlicher Forschung. Der Margaretha Lupac-Wissenschaftspreis wird am 30. November 2015 im Rahmen eines Festaktes im Parlament vergeben.

Karin Liebhart: Demokratisierungs- und Transformationsforschung

PDin Mag.a Dr.in Karin Liebhart hat sich 2007 mit dem Thema „Nationale und internationale Gedächtnispolitiken nach 1989“ für das Fach Politikwissenschaft habilitiert. Die Privatdozentin arbeitet in ihren Forschungen disziplinübergreifend an grundlegenden Fragen der österreichischen Demokratie in europäischer und vergleichender Perspektive. So setzt sie sich mit politischer Kommunikation, mit Rechtspopulismus und Antipluralismus ebenso auseinander wie mit europäischen politischen Systemen und Kulturen oder mit Fragen der Gender Studies um nur wenige herauszugreifen. Sie bearbeitet diese Themen nicht nur in ihrer meist drittmittelfinanzierten Forschung sondern auch in ihrer Lehrtätigkeit an österreichischen und internationalen Universitäten, zuletzt als Visiting Professor an der University of New Orleans. Aber auch zivilgesellschaftlich ist sie seit Jahren z.B. in der Gesellschaft für politische Aufklärung aktiv.

Tamara Ehs: Verbindung von Rechts- und Politikwissenschaft

Mag.a Dr.in Tamara Ehs steht für eine rechtswissenschaftlich und historisch orientierte kritische Politikwissenschaft. Sie kann so die Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft, der Organisation der Staatsgewalten und der Politik aufzeigen. Ihre Schwerpunkte liegen daher u.a. in Fragen zu Politik und Verfassung, rechtspolitischen und historischen Grundlagen der europäischen Integration, österreichischen Staats- und Demokratietheorien (insb. Hans Kelsen) sowie der Theorie und Praxis postnational(istisch)er Staatlichkeit. Auch sie verbindet ihre Forschungs- und Publikationstätigkeit mit der universitären Lehre und zivilgesellschaftlichem Engagement indem sie sich als Expertin aktiv einbringt wie z.B. in der Enquete-Kommission des Nationalrates zur „Stärkung der Demokratie in Österreich“. Derzeit bekleidet sie eine Post-doc Stelle am Institut für Rechts-und Sozialgeschichte der Universität Salzburg (Projekt finanziert durch den Jubliäumsfonds der Österreichischen Nationalbank)

Christina Ortner: junge Erwachsene, EU und Medien

Die ausgezeichnete Publikation von Mag.a Dr.in Christina Ortner erlaubt vielseitige Einblicke in die Sichtweisen der 20- bis 30-Jährigen zur Europäischen Union und wie sie diese entwickeln. Neben Familie und Schule/Ausbildungsplatz bilden die Medien eine zentrale Informationsquelle, wobei der ORF und die Kronen-Zeitung hier am wichtigsten sind. Die Kommunikationswissenschaftlerin verweist in ihrer Studie auf die zentrale Rolle politischer Bildung. „Wenn LehrerInnen ein Grundverständnis der EU vermitteln, sind junge Menschen im späteren Leben interessierter, aufgeschlossener und kompetenter“, gibt sie zu bedenken. Das ist umso wichtiger als die Mehrheit der Jungen wenig an der EU interessiert ist und sich dementsprechend schlecht informiert fühlt. Es erscheint ihr daher aufgrund der vorliegenden ausgezeichneten Quellenlage essenziell, dass die politische Bildung für dieses Thema in allen Ausbildungsstufen intensiviert wird, damit die Anzahl der kritischen aber begeisterten EuropäerInnen steigen kann.

Die Preisträgerinnen wurden dem Stiftungs-Kuratorium von einer fünfköpfigen Jury unter dem Vorsitz von em.Univ.-Prof. DDr. Manfried Welan empfohlen, die sich aus Persönlichkeiten aus den Bereichen Justiz, Wissenschaft und Medien zusammensetzt: Dr. Brigitte Bierlein, Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofes, Univ.-Prof. Dr. Sonja Puntscher Riekmann, Salzburg Centre of European Union Studies, Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb, Institut für Zeitgeschichte, Wien und Dr. Alexander Wrabetz, Generaldirektor des ORF.

Newsletter von euparl.net erschienen

Dezember 27, 2012 By: Parlamentshistoriker Category: Europa, Forschungsinstitut

newsletter

Das Montesquieu Institute in Den Haag betreut die Internetseite des European Information and Research Network on Parliamentary History.
Zweimal im Jahr wird ein Newsletter herausgegeben, den man abonnieren kann.

Er bietet eine Fülle von Informationen über die Tätigkeit der im Netzwerk zusammengeschlossenen Mitglieder. Der Newsletter für Dezember 2013 kann hier eingesehen werden.

Parlamentarismusforschung in Österreich

April 26, 2009 By: Parlamentshistoriker Category: Forschungsinstitut

Die Familie der außeruniversitären Parlamentarismusforschungsinstitute kann sich über Zuwachs freuen. Als ich mich dazu entschied, ein Parlamentarismusportal ins Netz zu stellen, war ich erstaunt, dass die Domain www.parlamentarismus.de noch frei war. Bis 2008 waren die Parlamentarismus-Domains für Österreich und die Schweiz noch verfügbar.
Nun hat sich das neu gegründete Institut für Parlamentarismus und Demokratiefragen in Wien die at-Domain gesichert.

Der Vorsitzende der Neugründung ist einer der besten Kenner des Parlamentarismus in Österreich. Als langjähriger Klubdirektor der ÖVP war Werner Zögernitz mehr als 20 Jahre Mitglied des Koordinationsausschusses der Regierungsparteien und regelmäßiger Teilnehmer an den Ministerratssitzungen. Er verfasste die Standardkommentare zu den Geschäftsordnungen des österreichischen Nationalrates und des Bundesrates.

Zum 1. April übernahm Zögernitz die Leitung des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen. Den internationalen Anspruch des Instituts unterstreicht die Berufung der Vizepräsidentin Melanie Sully.

Zögernitz äußerte sich über die Ziele des Instituts:

Österreichweit gibt es keine vergleichbare Einrichtung. In meiner
jahrzehntelangen Tätigkeit habe ich erkannt, dass Parlamentarismus
und Demokratie einen hohen Stellenwert sowohl im politischen
Geschehen und als auch im gesellschaftlichen Leben einnehmen. Das
Institut für Parlamentarismus und Demokratiefragen ist eine
wissenschaftliche und zugleich praxisorientierte Einrichtung. Eine
der Aufgaben des Instituts ist es, regelmäßig über neue
parlamentarische Entwicklungen in Österreich und in anderen
demokratischen Ländern zu informieren. Gleichzeitig soll das Institut
im Rahmen seiner Möglichkeiten als Servicestelle für Experten,
Parlamentarier, Journalisten, Beamte etc. dienen.


Die eindeutige parteipolitische Verortung des Instituts erinnert aus deutscher Sicht an die Arbeit der Parteistiftungen wie der Konrad-Adenauer-Stiftung oder der Friedrich-Ebert-Stiftung. Für die Anwerbung öffentlicher Gelder wäre es möglicherweise ratsam, Vertreter anderer politischer Richtungen zu kooptieren.

Parlamentarismusforschung in der DDR

September 09, 2008 By: Parlamentshistoriker Category: Bücher, Forschungsinstitut

In der gerade erschienenen Deutschen Gesellschaftsgeschichte 1949–1990 von Hans-Ulrich Wehler wird die DDR stiefmütterlich abgehandelt. Die »Satrapie« der »deutschen Bolschewiki« wird von dem Bielefelder Sozialhistoriker nur auf wenigen Seiten betrachtet. Das negative Urteil über den »real existierenden Sozialismus« insgesamt gilt cum grano salis auch für die ihn legitimierende parteiliche Geschichtswissenschaft der DDR. Um so überraschender erscheint es, dass die DDR-Geschichtswissenschaft gerade auf dem Felde der Parlamentarismusforschung Pionierarbeit geleistet hat.

Als ich 1990 bei einer Übung im Fach Geschichte an der Universität Heidelberg ein Referat über die Antisemitenparteien im Kaiserreich übernahm, empfahl mir mein späterer Doktorvater Eike Wolgast, das »Lexikon zur Parteiengeschichte« zu konsultieren. Der entsprechende Artikel im »Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789–1945)« enthielt eine Fülle von nützlichen Informationen.
Warum befasste sich die Geschichtswissenschaft in der DDR mit den bürgerlichen Parteien?
In dem Sammelband »Hochschule im Sozialismus. Studien zur Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena (1945-1990)« sind zwei Aufsätze erschienen, die an ein wissenschaftliches Großprojekt erinnern.
Ilko-Sascha Kowalczuk lässt in seinem Aufsatz die Geschichte des Historischen Seminars Revue passieren. Er schildert anhand der personellen Veränderungen, wie die Historiker ab den fünfziger Jahren den historischen Materialismus als marxgegeben ansahen und andere Forschungsansätze ablehnten.
Kowalczuk bezeichnet die Jahre von 1960 bis 1989/1990 als die »Fricke-Ära«. Der »Workaholic« Dieter Fricke war an mehreren Großprojekten beteiligt: »Der Grundriss der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung« (1963), »Die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung« in acht Bänden (1966) und die »Deutsche Geschichte« in 12 Bänden (5 Bände erschienen zwischen 1983–1989). Fricke baute den Schwerpunkt der Parteiengeschichtsforschung aus, dessen Ergebnisse in eine Fülle von Veröffentlichungen und in das vierbändige Lexikon zur Geschichte der bürgerlichen Parteien einflossen.
Die Parteiengeschichte sei Frickes zentrale wissenschaftliche Leistung, die heute noch – mangels Konkurrenz – als Standardwerk angesehen werden müsse.
Hans-Werner Hahn und Tobias Kaiser befassen sich in ihrem Aufsatz mit der von Fricke geleiteten Arbeitsgruppe »Geschichte der bürgerlichen Parteien in Deutschland«. Ausführlich schildern sie die Entstehung und die ideologische Ausrichtung der Arbeitsgemeinschaft.
Fricke legitimierte die Befassung mit der bürgerlichen Parteiengeschichte, indem er darauf hinwies, dass die Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung auch die Erforschung der Geschichte ihrer Gegner erforderlich mache. Der dem Projekt zugrunde liegende Parteibegriff war der Leninsche, wonach die Parteien auf Klassen zurückzuführen sind. Folgerichtig bezeichnete Fricke das Mehrparteiensystem in der Bundesrepublik und seine Kodifizierung im Parteiengesetz als »offen militärisch-faschistisch[e] Diktatur in Westdeutschland«.
Als der letzte Band des vierbändigen Unternehmens aus der Schmiede des Historischen Seminars der Universität Jena Ende der achtziger Jahre erschien, kam Michael Schneider in seiner 1988 im Archiv für Sozialgeschichte erschienenen Rezension zu dem Schluss, dass das »Lexikon überaus zuverlässig und hilfreich« sei. In meinem Bücherregal befindet sich der Vorgänger, das zweibändige Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien.

Erwähnte Literatur:
Fricke, Dieter (Leiter des Redaktionskollektivs): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland. Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945, 2 Bde., Leipzig 1968/1970.
Fricke, Dieter (Leiter des Herausgeberkollektivs): Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789–1945), 4 Bde., Leipzig 1983–1986.
Kowalczuk, Ilko-Sascha: Historiographie in der Diktatur. Zum Wandel der Geschichtswissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, in: Uwe Hoßfeld, Tobias Kaiser und Heinz Mestrup (Hrsg.): Hochschule im Sozialismus. Studien zur Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Köln/Weimar/Wien 2007, S. 1642-1685.
Hahn, Hans-Werner und Tobias Kaiser: Die Arbeitsgruppe zur Geschichte der bürgerlichen Parteien 1962–1990 – ein geisteswissenschaftliches Großprojekt, in: Uwe Hoßfeld, Tobias Kaiser und Heinz Mestrup (Hrsg.): Hochschule im Sozialismus. Studien zur Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Köln/Weimar/Wien 2007, S. 1687-1714.
Schneider, Michael: Das »Lexikon zur Parteiengeschichte« – oder: das »objektiv« Bürgerliche in seiner »Widersprüchlichkeit«, in: Archiv für Sozialgeschichte XXVIII (1988), S. 460-468.
Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Band 5: Bundesrepublik und DDR 1949-1990, München 2008.

Parlamentarische Kultur in den Niederlanden

August 26, 2008 By: Parlamentshistoriker Category: Europa, Forschungsinstitut

Im Februar 2008 besuchten Mitarbeiter des Forschungsinstituts der Parlamentarismuskommission in Berlin das neu gegründete Montesquieu Instituut für europäische Parlamentarismusforschung in Den Haag. Dabei trafen wir mit unseren Kollegen vom Centrum voor Parlementaire Geschiedenis zusammen.
Einige Hundert Meter von den Räumen des Instituts entfernt befindet sich der Sitz des niederländischen Parlaments, die Tweede Kamer der Staten-Generaal. Wir wohnten einer Parlamentsdebatte bei und wurden im Rahmen einer Führung über die Arbeitsweise des Parlaments informiert.

Die Kollegen vom CPG erforschen derzeit die parlamentarische Kultur der Niederlande. Sie beschäftigen sich dabei insbesondere mit der Frage, welche Rolle Rituale und Symbole in der niederländischen Politik spielen. Sie baten mich, Ihnen meine Beobachtungen über niederländische Spezifika mitzuteilen.

Rituale
Ein Ritual kann als eine nach vorgegebenen Regeln ablaufende, feierlich-festliche Handlung mit hohem Symbolgehalt definiert werden. Das Ritual wird meistens von bestimmten Wortformeln und festgelegten Gesten begleitet. Der gemeinschaftliche Vollzug eines Rituals fördert den Zusammenhalt einer Gruppe, so z.B. das gemeinsame Gebet in der Kirche oder das Singen der Nationalhymne bei Fußballspielen.
Rituale schaffen Legitimität.
Der amerikanische Politikwissenschaftler Murray Edelman hat in seinem Buch »The Symbolic Uses of Politics« darauf hingewiesen, dass moderne Demokratien Rituale zu propagandistischen Zwecken einsetzen. Durch Rituale kann der Anschein erweckt werden, dass etwas geschieht, obwohl die Probleme in Wirklichkeit ungelöst bleiben. So können Wähler durch symbolische Rituale dazu veranlasst werden, die Legitimität des Status quo zu akzeptieren, selbst wenn die tatsächliche Politik ihren Interessen nicht dient.

Rituale der Monarchie
In einem uns vorgeführten Informationsfilm wurde die Kutschenfahrt der Königin am »Prinsjesdag« gezeigt. Die Königin reist in einer goldenen Kutsche vom Paleis Noordeinde zum Ridderzaal im Parlamentsgebäude. Jedes Jahr, am dritten Dienstag im September, verliest sie die Thonrede vor den Mitgliedern der ersten und der zweiten Kammer. Die von der Regierung verfasste Thronrede gibt die Pläne der Regierung für das kommende Jahr bekannt und enthält einen Bericht zur Lage der Nation. Die politische Verantwortung für den Inhalt der Rede hat die jeweilige Regierung. Die Thronrede ist mir aus der britischen Praxis bekannt. Gibt es sie auch in den skandinavischen Staaten und in Belgien, fragte ich mich.
Die Königin als Staatsoberhaupt kann durch dieses Ritual gezwungen werden, eine von ihr völlig abgelehnte Politik als ihre eigene vorzustellen. Möglicherweise wird sie durch ihre Mimik verraten, was sie von den einzelnen Maßnahmen und Bewertungen hält.
Mit dem Kind in dem Märchen »Des Kaisers neue Kleider« könnte der Zuschauer dieses Rituals rufen: »Die Königin ist nackt«, d. h. sie verfügt über keine politische Macht. Die Monarchin kann sich durch dieses Ritual als Teil der Krone inszenieren, sie wird zur Vertreterin der Parlamentsmehrheit, ohne damit Verantwortung zu übernehmen.
In der Bundesrepublik kann der Bundespräsident als Staatsoberhaupt von der Regierung nicht gezwungen werden, die Haltung der Regierung in einer Rede zu vertreten. Allerdings muss er sich für »politische» Reden der Zustimmung des Bundeskanzlers versichern.

Rituale des Parlaments
Am »Prinsjesdag« wird nach Verlesen der Thronrede das »miljoenen nota», der geheimgehaltene Haushaltsentwurf für das kommende Fiskaljahr vom Finanzminister in einem Koffer (koffertje) präsentiert. Der Koffer trägt die Aufschrift »Derde Dinsdag in September«.
Dieses Ritual basiert auf der Fiktion, daß der Staatshaushalt bis zu seiner Vorstellung an diesem Tag geheim bleibt. Ich nehme an, dass jeder aufmerksame Zeitungsleser über die Eckdaten des Haushalts informiert ist.
Durch das koffertje-Ritual interessieren sich mehr Niederländer für die Haushaltsberatungen und damit auch für die Politik insgesamt.
Ein halbes Jahr später muss sich die Minister in einer Debatte rechtfertigen, welche ihrer Ziele und Ankündigungen sie umgesetzt haben. Dieses Ritual hat in der Bundesrepublik keine Entsprechung.

Politische Praxis in einer Plenardebatte
Die nur schwach besuchte Plenardebatte über die Bezahlung von Polizisten entsprach meinen Erwartungen. Das »Ritual« der leeren Sitzreihen informiert den Bürger darüber, dass die Entscheidungen in den Ausschüssen getroffen werden.
Die Abgeordneten lassen sich nicht im Verlauf einer Debatte vom vermeintlich besseren Argument der Gegenseite überzeugen. Die jeweiligen Spezialisten der Fraktionen tauschen ihre Standpunkte aus. Die Angehörigen einer Fraktion richten sich in ihrem Abstimmungsverhalten nach dem Votum ihrer Spezialisten.
Theoretisch gesehen sollen die Abgeordneten des Bundestages ihre Reden frei – d.h. ohne Manuskript – halten. In der Praxis halten sich nur ganz wenige Abgeordnete an diese Bestimmung der Geschäftsordnung.
Auch die niederländischen Parlamentarier lesen ihre Reden ab. Die niederländischen Plenardebatten sind allerdings durch das über die Parlamentsvorsitzende vermittelte Fragerecht dynamischer. Nicht wie im Bundestag der Abgeordnete am Rednerpult, sondern die Sitzungsleiterin entscheidet darüber, ob eine Frage zugelassen wird. Ich nehme an, dass nahezu alle Fragen vom Redner beantwortet werden müssen.
Im Bundestag wird von den Abgeordneten erwartet, dass sie während der Beantwortung der Frage vor dem Mikrofon stehen bleiben. Daher war es für den deutschen Betrachter überraschend, dass die Fragesteller während der Beantwortung ihrer Frage auf und ab gingen, oder sich sofort wieder auf ihren Platz setzen. Ich fragte mich, ob diese Fragen auf die Redezeit angerechnet werden. Im Bundestag erkundigen sich die Abgeordneten beim Präsidenten, ob die Fragen und ihre Antworten auf ihre Redezeit angerechnet werden. Man fühlt sich an Verletzungsunterbrechungen bei Fußballspielen erinnert.
In dem uns gezeigten Film wurden Ausschnitte aus der wöchentlich stattfindenden Fragestunde gezeigt. Die Lebendigkeit der Debatte erinnerte an die Fragestunde des britischen Unterhauses. Die Fragestunde des Bundestages erstreckt sich weitgehend auf die Verlesung der Antworten zuvor schriftlich eingereichter Fragen.

Netzwerk Historische Parlamentarismusforschung

Juli 31, 2008 By: Parlamentshistoriker Category: Europa, Forschungsinstitut

Im Oktober 2007 konstituierte eine Initiativgruppe das Netzwerk Historische Parlamentarismusforschung in Berlin, der Vertreter der Hellenic Parliament Foundation, des Instituts für Zeitgeschichte in Ljubljana, des Centrum voor Parlementaire Geschiedenis in Nimwegen und der KGParl in Berlin angehörten.
Das Netzwerk Historische Parlamentarismusforschung in Europa möchte den Austausch und die Verbreitung von Wissen sowie die Förderung von vergleichenden Studien über die Entwicklung der parlamentarischen Kultur in Europa fördern.
Die vom Montesquieu Instituut in Den Haag betreute Homepage »euparl.net« fordert interessierte Forscher und Institutionen auf, Mitglied zu werden.

Forschungsinstitute aktualisiert

Juli 08, 2008 By: Parlamentshistoriker Category: Forschungsinstitut

Die Seite über die – außeruniversitären – Forschungsinstitute wurde aktualisiert. Entfernt wurden Institute wie die “Foundation for the Development of Parliamentarism in Russia”, deren Tätigkeit nicht mehr verifiziert werden konnte.
Aus Bequemlichkeitsgründen habe ich vorerst darauf verzichtet, die ursprüngliche html-Seite in WordPress zu übernehmen.
Die Seite enthält eine kurze Charakterisierung der Institute, geht auf ihre Geschichte und Publikationen ein und verweist auf die Homepage des jeweiligen Instituts.

Willkommen beim Parlamentarismus-Portal

Juli 07, 2008 By: Parlamentshistoriker Category: Bücher, Forschungsinstitut, Konferenz, Zeitschrift

Willkommen beim Parlamentarismusportal!
Auf diesen Seiten erhält der geneigte Surfer Informationen über die wissenschaftliche Erforschung desjenigen Regierungssystems, bei welchem die vom Volk gewählten Angeordneten über die Gesetzgebung bestimmen und die Regierung kontrollieren – den Parlamentarismus.
Auf den Seiten Bücherschau, Zeitschriften, Zeitschriftenschau, (Forschungs)Preise,
Forschungsinstitute und Konferenzen finden sich – regelmäßig aktualisierte – Informationen zur Parlamentarismusforschung.
Die Linkliste verweist auf (externe) Seiten.
Nach der Umstellung auf WordPress werden demnächst Beiträge zum aktuellen Geschehen veröffentlicht werden.
Kommentare und Hinweise sind jederzeit willkommen!